| Historie und gesetzlicher Hintergrund der Luftreinhalteplanung bis 2002
Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf die Situation vor Novellierung des Bundesimmissionsschutzgesetzes im November 2002. Die insgesamt 20 Karten zur Luftbelastung zu Beginn der neunzehnhundertneunziger Jahre dokumentieren die wesentlichen Veränderungen in Bezug auf die aktuelle Situation (siehe Kapitel 3.2.).
Das Konzept der Luftreinhalteplanung geht von der Einsicht aus, dass in industriellen Ballungsräumen nicht jeder Emittent für sich allein betrachtet werden darf, sondern dass die Gesamtheit aller Bereiche, welche die lufthygienische Situation beeinflussen, gesehen werden muss. Deshalb können Maßnahmen, die zu einer wirksamen Reduktion hoher Luftverunreinigungen in industriellen Verdichtungsgebieten führen sollen, sich nicht darauf beschränken, ausschließlich im industriellen Bereich den Stand der Technik zur Verminderung der Emissionen durchzusetzen; vielmehr müssen auch andere Quellengruppen - nämlich Kleingewerbe, Gebäudeheizung und Verkehr - in die Untersuchungen und den Maßnahmenplan einbezogen werden.
Voraussetzung für eine Durchführung von Luftreinhaltemaßnahmen auf allen Gebieten ist zunächst eine umfassende aktuelle Bestandsaufnahme der vorhandenen Emissionen, Immissionen und Wirkungen sowie der meteorologischen, topographischen und klimatologischen Gegebenheiten. Auf Basis dieser Bestandsaufnahme können die Ursachen der Luftbelastung konkret festgestellt und für alle Emittentengruppen Maßnahmen zur Emissionsminderung erarbeitet werden.
Gesetzliche Grundlage ist das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) vom 15. März 1974 mit seinem fünften Teil "Überwachung der Luftverunreinigung im Bundesgebiet und Luftreinhaltepläne" (§§ 44 bis 47 sowie § 50) für den flächenbezogenen Immissionsschutz. Im Einzelnen ergibt sich folgende Strategie für die Durchführung eines Luftreinhalteplanes:
Gebiete, in denen Luftverunreinigungen auftreten oder zu befürchten sind, die wegen
- der Häufigkeit und Dauer ihres Auftretens,
- ihrer hohen Konzentration oder
- der Gefahr des Zusammenwirkens verschiedener Luftverunreinigungen
im besonderen Maße schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen können, sind als Untersuchungsgebiete auszuweisen (§ 44 Abs. 2 BImSchG).
Der Länderausschuss für Immissionsschutz hat im Juni 1974 Kriterien für die Festsetzung von Untersuchungsgebieten erarbeitet. In den Untersuchungsgebieten wird von den nach Landesrecht zuständigen Behörden ein Emissionskataster erstellt, welches Angaben enthält über Art, Menge, räumliche und zeitliche Verteilung und die Austrittsbedingungen von Luftverunreinigungen bestimmter Anlagen und Fahrzeuge (§ 46 Abs. 1 BImSchG). Die Immissionsbelastung durch Luftverunreinigungen in der Atmosphäre, die schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen können, wird dann im Immissionskataster (§ 44 Abs. 1 BImSchG) dargestellt. Die durch die Schadstoffbelastung der
Luft hervorgerufenen Wirkungen auf Menschen, Tiere, Vegetation und Materialien werden im Wirkungskataster erfasst (§ 47 BImSchG).
Soweit die Auswertung der Emissions-, Immissions- und Wirkungskataster ergibt, dass im gesamten Untersuchungsgebiet oder in Teilen des Gebietes schädliche Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen auftreten oder zu erwarten sind, ist ein Luftreinhalteplan zu erstellen. Der Luftreinhalteplan enthält gemäß § 47 BImSchG:
- die Darstellung der festgestellten Emissionen und Immissionen aller oder bestimmter luftverunreinigender Stoffe,
- Angaben über die festgestellten Wirkungen auf die in § 1 BImSchG genannten Schutzgüter,
- Feststellungen über die Ursachen der Luftverunreinigungen und ihre Auswirkungen,
- eine Abschätzung der zu erwartenden künftigen Veränderungen der Emissions- und Immissionsverhältnisse,
- die Angabe der zugrunde gelegten Immissionswerte und Immissionsleitwerte sowie der im Untersuchungsgebiet durch Ziele der Raumordnung und Landesplanung vorgesehenen Nutzungen und
- die Maßnahmen zur Verminderung der Luftverunreinigungen und zur Vorsorge.
Bei der Erstellung der ersten Luftreinhaltepläne zeigte es sich, dass die Industrie in den Untersuchungsgebieten die wesentliche Emissionsquelle für Luftschadstoffe war. Der Gesetzgeber erließ eine Reihe neuer Vorschriften wie die Großfeuerungsanlagenverordnung, Verordnung über Abfallverbrennungsanlagen oder das Altanlagensanierungsprogramm, um eine Reduzierung der Emissionen zu erreichen. Die Fortschreibung der Luftreinhaltepläne bestätigte den Erfolg dieser Maßnahmen. Bei den Massenschadstoffen wie Schwefeldioxid haben die Emissionen der Industrie an Bedeutung verloren. Durch die Luftreinhaltepläne konnten im Allgemeinen in den Untersuchungsgebieten bei den Schadstoffen die Immissionswertüberschreitungen abgebaut werden, die ursprünglich zur Ausweisung des Untersuchungsgebietes geführt haben. So führte früher die hohe Konzentration von Luftschadstoffen im Winter zu den gefährlichen Smogperioden. Zur Gefahrenabwehr wurde die Smogverordnung erlassen. Durch die Reduzierung der Luftschadstoffe - vor allem Schwefeldioxid - ist das Auftreten von Smogsituationen so unwahrscheinlich geworden, dass die Winter-Smogverordnung 1998 aufgehoben werden konnte.
Die Luftreinhaltepläne haben sich im Laufe der Zeit vom Sanierungsplan zum Vorsorgeplan weiterentwickelt. Diese Entwicklung war durch die Novellierung des BImSchG von 1990 vorgezeichnet. Durch die Luftqualitätsrichtlinie der Europäischen Kommission von 1996 und weiterführender Richtlinien (Richtlinien 1999/30/EG, 2000/69/EG und 2002/3/EG) sowie der Entscheidung des Rates (97/101/EG) wird die flächenbezogene Luftreinhaltung von den Untersuchungsgebieten auf eine landesweite Sicht erweitert und erhielt, bedingt durch Absenkung von Immissionsgrenzwerten, neue Impulse. Die Form der Luftreinhaltepläne wird sich ändern, die Notwendigkeit emittenbezogene Ursachenanalysen und Maßnahmenpläne zu erstellen, bleibt bestehen.
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Luftreinhaltepläne in Sachsen-Anhalt
Mit seiner Gründung im Jahre 1990 übernahm das Bundesland Sachsen-Anhalt eine Verpflichtung zur möglichst raschen lufthygienischen Sanierung. Die hohen Belastungen durch "klassische", kanzerogene und toxische Schadstoffe erforderten 1990 von den neuen Umweltverwaltungen ein rasches Handeln. Als Instrument sieht das Bundes-Immissionsschutzgesetz die Erstellung von Luftreinhalteplänen vor. Der erste Luftreinhalteplan des Landes ist 1995 für die Region Weißenfels, Naumburg, Hohenmölsen und Zeitz aufgestellt worden. Der zweite Luftreinhalteplan für den Großraum Halle-Merseburg wurde 1997 fertiggestellt. Mittlerweile wurde der dritte Luftreinhalteplan für den Großraum Dessau, Wittenberg, Bitterfeld der Öffentlichkeit vorgestellt.
Das Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalts gehörte bis 1990 zu den am höchsten durch Luftverunreinigungen beeinträchtigten Regionen Deutschlands. Ursache dafür waren vor allem die industriellen Ballungsgebiete in Bitterfeld, Halle und Leuna-Merseburg mit der dort angesiedelten chemischen und braunkohleverarbeitenden Industrie. Die hohe Anzahl von Großfeuerungsanlagen mit nicht vorhandener, völlig veralteter bzw. verschlissener Abgasreinigungstechnik sowie der fast ausschließliche Einsatz schwefelreicher Braunkohle als Primärenergieträger führten zu einer überdurchschnittlich hohen Immissionsbelastung. Allein auf dem Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalts war die Emissionsmenge an Schwefeldioxid (SO2) und Staub 1989 größer als in den alten Bundesländern insgesamt.
Diese großen Emissionsmengen verursachten sehr hohe Immissionsbelastungen in den Regionen Sachsen-Anhalts.
Die hohen Immissionsbelastungen in den industriellen Ballungsgebieten wurden neben SO2 und Staub maßgeblich durch andere, vor allem organische (damals nicht messbare) Luftschadstoffe beeinflusst. Die Messung der Immissionsbelastung beschränkte sich in der Vergangenheit u.a. aus Gründen nicht verfügbarer Messtechnik auf relativ wenige Stoffe wie z.B. Schwefeldioxid und Staub.
Neben dem Aufbau der Umweltverwaltung sind in Sachsen-Anhalt nach der politischen Wende umgehend die ordnungsrechtlichen, materiellen und technischen Voraussetzungen geschaffen worden, die zur Reduzierung der Umweltbelastung notwendig waren.
Der Erlass einer Verordnung zur Festsetzung von Untersuchungsgebieten und die Verabschiedung einer "Konzeption zur Erstellung von Luftreinhalteplänen im Bundesland Sachsen-Anhalt" sind für die Luftreinhalteplanung von besonderer Bedeutung gewesen.
Die Untersuchungsgebiets-Verordnung des Landes wies zehn Gebiete aus, in denen 1990 Immissionsgrenzwerte überschritten waren oder die Gefahr solcher Überschreitungen bestand. Bereits bei der Konzipierung des ersten Luftreinhalteplanes erfolgte keine Beschränkung auf die Aufgaben, die den Luftreinhalteplänen der sogenannten "ersten Generation" zugeschrieben wurden. Bei diesen früheren Luftreinhalteplänen der alten Bundesländer ging es insbesondere um die Minderung ubiquitärer Schadstoffe wie Schwefeldioxid, Staub, Kohlenstoffmonoxid und Stickstoffoxide in die Atmosphäre. Das Spektrum der Ermittlungen wurde wegen der typisch ostdeutschen Immissionsbedingungen (hoher Einsatz des Primärenergieträgers Braunkohle) um Schadstoffe und Erfassungsmethoden erweitert, die in den alten Bundesländern typisch sind für Luftreinhaltepläne der sogenannten "zweiten Generation". Dies sind vor allem kanzerogene (z. B. Benzol, Benzo(a)pyren) und toxische Stoffe (z. B. Blei, Nickel, Cadmium, Arsen).
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Untersuchungsgebiet 9 Halle-Merseburg
(Quelle: MRLU, Luftreinhalteplan Untersuchungsgebiet 9, Band 2, 1996)
Der Luftreinhalteplan UG 9 beschreibt zunächst in den Emissionskatastern die verschiedenen Quellen der luftverunreinigenden Stoffe im Untersuchungsgebiet. Flächendeckende Messungen der Immissionen in der Region, die durch Messungen an ortsfesten Messstationen ergänzt werden, dokumentieren die aktuelle Schadstoffbelastung der Luft und ermöglichen eine umfassende Bewertung dieser Belastung nach verschiedenen Kriterien. Neben dem Immissionskataster sind Untersuchungen der Wirkungen von Luftverunreinigungen auf lebende Organismen (Biomonitoring) und Baumaterialien ein weiterer Bestandteil des Luftreinhalteplanes.
Der Großraum Halle/Merseburg als Untersuchungsgebiet 9 umfasst eine Fläche von etwa 1380 km² und schließt mit den Leuna- und Bunawerken die größten Industrieanlagen des Landes ein.
Im vorliegenden Immissions- und Wirkungskataster des Luftreinhalteplanes sind die Ergebnisse der über ein Jahr durchgeführten Immissionserhebungen und Wirkungsuntersuchungen dargestellt.
Mit der Durchführung der Immissionsmessungen beauftragte das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung des Landes Sachsen-Anhalt die Firma NOELL UMWELTDIENSTE GmbH. Die Messungen wurden in der Zeit von April 1994 bis April 1995 durchgeführt und umfassen damit den von der TA Luft vorgegebenen Zeitraum von 12 Monaten. Neben flächendeckenden Immissionserhebungen der gasförmigen Komponenten und der Depositionen fanden auch Schwebstaubmessungen an 10 im Untersuchungsgebiet eingerichteten ortsfesten Schwebstaubmessstellen statt.
Weiterhin wurde an zwei Standorten die reine Nassdeposition erfasst. Die so gewonnenen Ergebnisse wurden auf eventuelle Überschreitungen rechtsverbindlicher Grenz- und Schwellenwerte geprüft. Darüber hinaus wurden auch Bezugswerte mit reinem Orientierungs- oder Leitwertcharakter als Vergleichsgrößen herangezogen.
Das Wirkungskataster umfasst Untersuchungen im Rahmen des aktiven und des passiven Biomonitorings. Sie wurden in der Zeit vom Oktober 1992 bis Dezember 1994 durchgeführt und erstreckten sich über dasselbe Gebiet wie die Immissionsmessungen. Die Untersuchungen des aktiven Biomonitorings wurden ebenfalls durch das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung des Landes Sachsen-Anhalt in Auftrag gegeben und von der Gesellschaft für Umweltmessungen und Umwelterhebungen (UMEG) durchgeführt.
Die Zusammenführung und zusammenfassende Bewertung der einzelnen Untersuchungsberichte im Immissions- und Wirkungskataster sowie die grafische Aufbereitung der Ergebnisse in Abbildungen und Karten erfolgte durch die Gesellschaft für Umweltmessungen und Umwelterhebungen mbH (UMEG). |
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